Hundert-Dollar-Küsse by Kurt Vonnegut

Hundert-Dollar-Küsse by Kurt Vonnegut

Autor:Kurt Vonnegut [Vonnegut, Kurt]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Stories
Herausgeber: Kein & Aber AG
veröffentlicht: 2015-07-15T16:00:00+00:00


Die Suche war eher ein spontaner, verspielter Festumzug als eine ernsthafte Jagd auf die fehlenden Gestalten. Realistisch betrachtet, hatten die Sucher keine große Aussicht auf Erfolg. Sie machten viel Lärm und gingen nur dahin, wo sie dachten, es ist vielleicht ganz nett oder interessant, wenn sie da mal hingehen. Der Dieb, der offensichtlich ein Spinner war, hätte wenig Schwierigkeiten gehabt, seine absonderliche Beute zu verbergen.

Aber die Sucher hatten sich dermaßen im Allegorischen ihres Tuns verheddert, dass, ohne die Hilfe der Zeitung, eine machtvolle Erwartungshaltung aus sich selbst erwuchs. Jeder war überzeugt, dass die Heilige Familie am Heiligen Abend gefunden würde.

Aber an jenem Abend leuchtete kein neuer Stern über der Stadt, nur die Fünfhundert-Watt-Lampe, die an einem Ballon über dem Anwesen von J. Sprague Fleetwood alias »Tollwut« Gribbon hing, zu dessen Nachteil der Diebstahl begangen worden war.

Der Bürgermeister, der Präsident einer großen Firma zur Herstellung von irgendwas und der Vorsitzende des Grundbesitzerverbands fuhren auf dem Rücksitz der Bürgermeisterlimousine, während Hackleman und ich vor ihnen auf den Klappsitzen saßen. Wir waren auf dem Weg zu Gribbon, der die fehlenden Figuren durch neue ersetzt hatte, um ihm die Urkunde für den 1. Preis zu überreichen.

»Soll ich hier abbiegen?«, sagte der Chauffeur.

»Folgen Sie einfach dem Stern«, sagte ich.

»Das ist eine Lampe, eine gottverdammte elektrische Lampe, die sich jeder übers Haus hängen kann, der das Geld dazu hat«, sagte Hackleman.

»Folgen Sie der gottverdammten elektrischen Lampe«, sagte ich.

Gribbon wartete auf uns, er trug einen Smoking und öffnete persönlich den Wagenschlag. »Meine Herren, frohe Weihnachten.« Die Augen gesenkt, die Hände fromm vor dem runden Bauch gefaltet, führte er uns einen Pfad entlang, mit Seilen abgesperrt, der einmal um die Zurschaustellung herum und wieder zurück auf die Straße führte. Er ging an der Ecke der Villa vorüber, bis kurz vor die Stelle, von der aus wir das Schauspiel sehen konnten. »Ich sehe es gern als einen Schrein«, sagte er, »zu dem die Menschen von meilenweit geströmt kommen –, Menschen, die dem Stern folgen.« Er trat beiseite, bedeutete uns weiterzugehen.

Und wieder blendete uns das verblüffende Panorama, das aussah wie Gymnastikunterricht im Freien, mit ausdruckslosen Gestalten, die dotzten, mit den Armen fuchtelten, mit den Flügeln flatterten.

»Gangsterhimmel«, flüsterte Hackleman.

»Ach, du meine Güte«, sagte der Bürgermeister.

Der Vorsitzende des Grundbesitzerverbands sah entsetzt aus, räusperte sich jedoch und schöpfte neuen Mut. »Na, das ist ja wirklich mal ein schönes Stück«, sagte er, sich zäh an seine Integrität klammernd.

»Wo haben Sie die neuen Figuren her?«, sagte Hackleman.

»Zum Großhandelspreis von einem Fachhändler für Kaufhausbedarf«, sagte Gribbon.

»Maschinenbautechnische Höchstleistung«, sagte der Fabrikant.

»Vier Ingenieure habe ich dafür gebraucht«, sagte Gribbon stolz. »Immerhin hat der, der die Figuren geklaut hat, die Neon-Heiligenscheine hier gelassen, Gottseidank. Sie sind so geschaltet, dass ich sie auch blinken lassen kann, falls Sie meinen, dass das besser aussieht.«

»Nein, nein«, sagte der Bürgermeister. »Wir wollen es nicht übertreiben.«

»Äh … gewinne ich?«, sagte Gribbon höflich.

»Hmmm?«, sagte der Bürgermeister. »Ach so –, gewinnen Sie? Nun, wir müssen natürlich noch beraten. Wir geben Ihnen heute abend Bescheid.«

Niemandem schien noch etwas einzufallen, und wir schlurften zur Limousine zurück.

»Zweiunddreißig Elektromotoren, zwei



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